Trabant Z1: Einsatz auf vier Rädern – Folge 1: Der antifaschistische Schutzwall

 

Ein Fest mit Folgen

 

Sprechende Autos kommentiert von René Meier

 

Hallo! Ihr habt sicherlich schon in die Folge reingehört, oder? Kann man hier noch von tapsigem Charme sprechen? Auch uns fällt es schwer, dieses Frühwerk einzuordnen. Daher kommen hier erst mal nur ein paar Fakten. Die Ausstrahlung war am 7. Oktober 1979 und es sollte die Pilotfolge einer Agentenserie um einen Wundertrabbi werden. Wir wussten selber nicht, dass dieser verlorene Pilot existiert – bis zum 15. November 2015.

 

Für Martin und mich war der 15. November 2015 ein absoluter Freudentag. Denn an besagten Sonntag erreichte uns eine E-Mail von Tita Umbrodt. Ja! Genau die Tita Umbrodt, die bei Trabant Z1 für den Schnitt, Musik und die Effekte zuständig war. Ihr ist es zu verdanken, dass wir neben dieser uns zuvor völlig unbekannten Pilotfolge auch noch zwei weitere Episoden erhalten haben.

 

Der große Clou kam allerdings erst, als wir ein persönliches Telefonat mit ihr hatten und sie gehörig ins Plaudern geriet. Mit ihrer Erlaubnis geben wir jetzt mal ein paar Hintergrundinformationen zum Besten, die sich nicht in Michael Ritters Autobiographie „Ich gab euch meine Stimme“, aus der wir sonst so gerne zitieren, finden lassen.

 

Die eigentliche Geburtsstunde der sprechenden Autos war anscheinend Samstag der 26. April 1946, als ein Mann namens Andreas Knućek zu einer Feierlichkeit des Imperial Clubs in Hannover Langenhagen ging. Womit der junge Mann nicht rechnete war, dass er am jenen Abend zwei englisch sprechende Männer treffen sollte, mit denen er die Nacht durchzechte. An einem Nebentisch abseits der Feier traf Knućek einen ehemaligen Piloten der Royal Air Force, der sich als der in Deutschland geborene Klaus Hugo Adam vorstellte. Später gesellte sich noch der Amerikaner Gordon Buford dazu. Nachdem die anfängliche Sprachbarriere überwunden war, kam das Gesprächsthema schnell auf Autos. Adam beklagte sich darüber, dass es praktisch unmöglich sei, sein Auto irgendwo zu parken, ohne dass es gleich von irgendeinem Spinner zerkratzt werde. Knućek und Buford sprangen sofort auf und meinten, dass man ein Auto bräuchte, das sich wehren könnte. Ja, laut Buford, eines das mitdenkt und sich notfalls einfach aus dem Staub macht. Nein, sagte dann Adam, eines das das Kennzeichen wechseln kann, wenn man im Parkverbot steht – oder gleich eines mit Maschinengewehren hinter den Scheinwerfern.

 

Die Stimmung an dem kleinen Tisch wurde immer redseliger je mehr Alkohol floss und schließlich brachte auch Knućek seinen Beitrag zur Superautodiskussion. Das Auto müsste sprechen können.

 

Die Ideen, die an diesem Abend ausgetauscht wurden, sollten erst in den 60er-Jahren wieder aus der Alkoholversiegelung hervor kommen. Buford schrieb eine Kurzgeschichte, in der er seine Ideen in einem VW Käfer einbaute. Adam montierte für mehrere Filme Maschinengewehre, Nebelwerfer und Schleudersitz in einen Aston Martin DB5. Knućek jedoch gab seine Idee in den 1970er-Jahren an den Hörfunk der DDR weiter, welche sie zu der Pilotfolge von Genosse Trabant: Kundschafter des Friedens umarbeitete.

 

Knućek verstarb 1978 und konnte die Ausstrahlung nicht mehr erleben. Ihm zu Ehren gab man jedoch den sprechenden Trabant den Namen Knut. Es ist auch belegt, dass „Hallo, mein Name ist Knut“ ein direktes Zitat von Andreas Knućek ist, als er sich so beim IX. Parteitag der SED der Ehefrau des Rundfunkintendanten vorgestellt haben soll.

 

Über Knućeks Originalvorlage ist nichts mehr bekannt. Aus dem Vorspann wissen wir jedoch, dass der Theaterkreis Karl-Marx-Stadt mit der Hörspielinszenierung beauftragt wurde. Dieser Theaterkreis war im Vorfeld schon mit Projekten wie „Stalin und sein feinsinniger Kühlschrank“, „Trotzki am Strand“ und „Rosa Luxemburg ist gut zu Tieren“ aufgefallen. Kurz bevor sie sich an Genosse Trabant setzten kam es zu einem Zwischenfall, welcher beinahe die weitere Zukunft der Theatergruppe gefährden sollte.

 

Der Theaterkreis war nämlich dazu übergegangen, Szenen aus dem Westfernsehen nachzuspielen. Man konnte in einigen östlichen Regionen der DDR das deutlich spannendere Programm von ARD und ZDF nicht empfangen und da es damals noch keine Videorekorder gab, führten die Theaterleute einfach Szenen aus Am laufenden Band, Tatort oder Der goldene Schuss auf.

 

Dass das nicht lange gutgehen konnte, war klar. Von der Stasi aufgeflogen musste der Theaterkreis Karl-Marx-Stadt einiges tun, um sich wieder zu rehabilitieren. Und so reichte man die bearbeitete Fassung von Knućek Manuskript „Ein toller Trabbi“ mit dem Titel „Genosse Trabant: Kundschafter des Friedens“ ein.

 

Das Projekt wurde gestartet. Der Pilot wurde gesendet und anschließend haben alle es gehasst. Der 7. Oktober 1979 sollte sich für den Theaterkreis Karl-Marx-Stadt als Desaster entpuppen. Kaum war die Ausstrahlung beendet, rief Erich Mielke persönlich beim Rundfunk der DDR an und verbot sowohl jede erneute Ausstrahlung, als auch jeden Gedanken eine Fortsetzung in Erwägung zu ziehen. Die Mitglieder des Theaterkreises Karl-Marx-Stadt bekamen Berufsverbot, wurden aber kurze Zeit später als Mitarbeiter des VEB Metaplast Quedlinburg übernommen.

 

Nun aber eine kleine Anekdote, die Frau Umbrodt beim Telefonat bis zum Schluss zurückhielt. Nach der Öffnung der Mauer und der Wiedervereinigung erfüllte sich Frau Umbrodt einen Lebenstraum und sie trat zusammen mit ihrem Mann im August 1992 eine Reise in die Vereinigten Staaten von Amerika an. Mit dem Geld, das sie und ihre Partner auf der hohen Kante hatten, war das volle Programm angesagt: New York, Grand Canyon, Las Vegas, Route 66 und natürlich auch die angesagten Freizeitparks. Bei einem Besuch der Universal Studios kam es zu einem zufälligen Treffen, das es in sich hatte. Sie traf den amerikanischen Fernsehproduzenten Glen A. Larson. Es sei eine ganz gewisse Körperhaltung, welche dafür sorgt, dass sich Medienproduzenten weltweit sofort untereinander erkennen, meinte Frau Umbrodt dazu. Letzten Endes verzogen sich die beiden in ein Verwaltungsgebäude des Parks und plauderten, wobei Glen A. Larson eine wirklich sensationelle Geschichte vom Stapel ließ.

 

Glen A. Larson erzählte ihr, dass er sich in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober 1979 im westlichen Teil Berlins aufhielt. Er war nach Deutschland gekommen, um nach neuen Ideen für eine Krimiserie zu suchen. Sein Treffen mit einigen Programmchefs des RIAS am Nachmittag hatte er jedoch vorzeitig beendet und er schloss sich daraufhin wutentbrannt auf seinem Hotelzimmer ein. Hier trank er die Minibar leer und knipste das Radio ein. Auf der Suche nach einem amerikanischen Sender fand er jedoch die Ausstrahlung von Genosse Trabant und obwohl seine Deutschkenntnisse mehr als dürftig waren, blieb in seinem Kopf anscheinend eine ganz bestimmte Idee hängen: „A Talking Car! What a great idea!“ – und so bekam er die Grundidee für eine neue Krimiserie, die in den USA im September 1982 auf Sendung gehen sollte.

 

Und hier schließt sich endgültig der Kreis. Aus Genosse Trabant wurde die Idee zu Knight Rider, welches wiederum die Idee zu Trabant Z1 wurde.

 

Sollte diese Geschichte stimmen, dann müssen wir sämtliche Folgen von Knight Rider mit anderen Augen sehen. Lüften wir unseren Hut vor Andreas Knućek, der uns nicht nur Trabant Z1 bescherte, sondern auch viele andere Schaffenden zu Superautos inspirierte.

 

Ich wollte gerade auflegen, da raunte mir Frau Umbrodt noch vielsagend zu: „Ich bin ja auch nicht mehr die Jüngste und im Alter kommt nicht nur Weisheit dazu. Ich habe Dinge erlebt, da könnt ihr nicht mal von träumen: Nacktbadestrände in der brennenden Sonne am Proraer Meerbusen. Und ich habe Wartburgs gesehen, die wendeten nah am Brandenburger Tor. All diese Momente werden verloren sein in der Zeit, so wie…“ – ich antwortete blitzschnell: „…so wie Tränen im Regen?!?!?! Moment mal, Sie klauen doch nur aus all meinen Lieblingsfilmen!“ …aber da hatte sie schon längst aufgelegt.

 

Mir kommt dies Telefonat immer noch wie ein Traum vor. Als ich Martin hinterher davon erzählte, meinte er, ich hätte mir dies alles nur ausgedacht. Aber sowas kann man sich doch nicht ausdenken? Oder?

Die Einladung, mit der alles anfing.

Sie sieht heutzutage vielleicht nicht mehr besonders gut aus, aber im Jahr 1946 war Schreibmaschinenband teuer. Anklicken lohnt sich!

Eine Originalaufnahme aus dem Jahr 1951. Andreas Knućek macht eine gute Figur bei seinem ersten Fotografenbesuch seit über zwölf Jahren.

Die Feierlichkeiten des Imperial Klubs waren
in den Jahren 1946 bis 1954 absolute gesellschaftliche Highlights in der
britischen Besatzungszone

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